Lernen mit dem "Stuck Song Syndrom"?! - Verschiedene Wege

Datum: 01.03.2024
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Autor: © 2024 Lars Jäger


Fast jeder kennt es. Das eine Lied, die eine Melodie, die sich als der berühmt "Ohrwurm" im Kopf festsetzt. Manchmal lustig, oft aber auch sehr anstrengend. Doch ließe sich dies auch positiv für Lernzwecke nutzen? Das musikpsychologische Phänomen des so genannten "Stuck Song Syndrom" oder "Involuntary Musical Imagery (INMI)" (im englischen Sprachraum umgangssprachlich auch "Earworm", "Brainworm") ist seit langem bekannt. Es ist von der Wahrnehmung her eher negativ besetzt. Kaum jemand, der sich einen Ohrwurm wünscht, der ihn Stunden oder Tage lang verfolgt. Zudem scheint das Phänomen nicht bei allen gleich „zuzuschlagen“, sondern in gewisser Weise individuell zu sein. So können Personen Titel hören, die sofort als Ohrwurm sich wiederholen. Andere Personen nehmen einen gleichen Titel keinen entsprechenden Effekt war. Insofern ergibt sich für die Anwendung eine gewisse Herausforderung der Individualität. Da Lernen regelmäßig auch mit Wiederholung in Verbindung steht, könnte man durchaus vermuten, dass durch den Ohrwurm eine entsprechende Wiederholungssequenz gestartet wird. Wenn man es dann noch schafft, die Lerninhalte quasi "Huckepack" auf dem Ohrwurm zu platzieren, wäre prinzipiell eine Wiederholungssequenz gegeben.

Weg 1 : Lernen zum bestehenden Ohrwurm
Hier wäre es durchaus denkbar, dass man mit einem bekannten Titel, der schon einmal den Ohrwurm ausgelöst hat zu lernen. D. h. man würde den Titel abspielen während man eine bestimmte Thematik lernt. Diese Methodik hat möglicherweise den Vorteil, dass durch die Aktivierung des Ohrwurm ein positiver kognitiver Effekt geschaffen wird, über den indirekt das zu erlernen Thema an den Ohrwurm gekoppelt eine Wiederholung ähnlich dem Ohrwurm selbst erfährt. Daraus könnte sich ein besserer ein Einprägungseffekt ergeben. Um nicht nur mit einem Ohrwurm zu lernen, müsste man verschiedene bestehende Ohrwürmer nutzen. Der Vorteil dieser Methode ist, dass bereits bekannt ist welche Titel als Ohrwürmer schon einmal aufgetreten sind.

Weg 2: Lernen zum neuen Ohrwurm
Ein weiterer Ansatz wäre, dass man bestimmte Themen zu einem neu erstellten Ohrwurm lernt. Da sich möglicherweise Ohrwürmer durch eine bestimmte Taktung, Rhythmik und Wiederholung in der Musik und „erzeugen“ lassen, könnte man eine Auswahl verschiedener Ohrwürmer erzeugen, um das Portfolio einsetzbarer Ohrwürmer für verschiedene Themen zur weiteren. Auch hier würde man dann im zweiten Schritt die neuen generierten Ohrwürmer nutzen um parallel zu lernen. Auch hier würde man möglicherweise einen positiven kognitiven Effekt nutzen können, um eine höhere Lernleistung zu erreichen. Der Aufwand hierbei ist jedoch höher einzuschätzen, als bei der ersten Methode, da entsprechende Ohrwürmer erst einmal selbst erzeugt werden müssen bzw. durch KI erstellte Musiktitel auf ihre Ohrwurmtauglichkeit geprüft werden müssen. Zudem müssen die Titel selbst erstellt werden, was einen großen Aufwand bedeutet, da eine Vielzahl von Titeln komponiert werden müsste, um diese auch auf Ohrwurmtauglichkeit zu testen.

Weg 3: Direkte Integration in den neuen Ohrwurm
Neben den bisher beschriebenen Möglichkeiten könnte man auch überlegen, ob man die Lerninhalte in den Musiktitel (neuer Ohrwurm) integriert. Dies würde bedeuten, dass anders als in beiden ersten Ansätzen nicht das Lernthema losgelöst von der Musik besteht. Vielmehr würde der Text des Musiktitels aus dem Inhalt des Lernthemas bestehen. Insofern wurden beide direkt verknüpft. Der Vorteil der direkten Verknüpfung ist, dass wenn der Titel zum Ohrwurm geworden ist eine direkte Wiederholung des Lerninhaltes stattfindet, da dieser quasi Teil des Ohrwurms ist. Hierzu ist es natürlich notwendig entsprechende Songs zu schreiben und zu komponieren. Dies stellt einen hohen Aufwand dar, da einerseits der Text andererseits die Musik erstellt werden muss. Den meisten Personen dürften hierzu den Weg 2 schon erwähnt die Fähigkeiten fehlen um die Musik selbst zu generieren. Es gab jedoch schon Studien, die genau diesen Weg gegangen sind. Es wurden Raptexte zum Lernen und entsprechende Musik generiert. Die Lernleistung der Teilnehmer an der Studie soll dadurch positiv beeinflusst worden sein. Aber auch hier ist zu beachten, dass ein hoher Aufwand betrieben werden muss um die Texte und Titel entsprechend zu erzeugen.

Geht es auch anders?
Professor Dr. Jäger fand einen anderen Weg, der die Lösung aus dem Aufwandsdilemma darstellen könnte. Für die Generierung der Ohrwürmer war bisher mit der Notwendigkeit verbunden selbst die Musik zu erzeugen, oder auf bestehende „Ohrwürmer“ zurück zu greifen. Doch durch die generative Künstliche Intelligenz ändert sich dies grundlegend. Mithilfe von KI lässt sich sehr einfach beliebige Musik (Rock, Pop, RAP, Klassik u.v.a.) in wenigen Sekunden erzeugen. Dies würde eine deutliche Effizienz und Geschwindigkeitssteigerung sowie Aufwandsminimierung für den zweiten Weg bedeuten. Aber es geht noch mehr. Generative KI kann eingesetzt werden um Texte zum Erlernen einer bestimmten Thematik zu generieren und diese dann mit einem Musikstück zu verbinden.

Neue Wege: KI generierte Ohrwürmer nach Prof. Dr. Jäger
Für diese neue Methode bieten sich grundsätzlich zwei Wege an. Der erste Weg besteht darin, mittels einer Künstliche Intelligenz (KI) wie ChatGTP, Claude, Gemini oder anderen aus einem bestimmten Thema den Liedtext generieren zu lassen. Mit einer weiteren KI Anwendung ließe sich unter Zuhilfenahme dieses Liedtextes unter Angabe der Musikrichtung (zum Beispiel deutscher RAP) ein Musikstück kreieren, durch welches der Lerninhalte vermittelt wird. Auch hier wird der zeitliche Aufwand durch Zuhilfenahme von Künstliche Intelligenz deutlich reduziert und die Generierung von der Fähigkeit Songtexte zu erstellen oder selbst zu komponieren entkoppelt. Inzwischen geht es dieser sogar unter Zuhilfenahme einer einzigen KI direkt Songtexte und Musik beliebiger Stilrichtungen erzeugen zu lassen unter Angabe von Stichworten. Die Texte lassen sich im Nachhinein editieren. Auf diese Weise lassen sich hier verschiedenste Lernthemen Songs kreieren. Schafft man es dann noch die Songs so zu kreieren, dass sie einen Ohrwurm darstellen, ist eine deutlich positive Lernwirkung zu erwarten. Erst Tests von Professor Dr. Jäger verliefen positiv, so dass er auch weiterhin diese Richtung forschen wird.

Fazit
Es gibt diverse Wege sich den Ohrwurm möglicherweise nützlich zu machen. Noch ist dieses Thema in Verbindung mit Lerneffekten und der Umsetzung mittels Künstlicher Intelligenz Neuland. Doch gerade hier könnten sich durchaus interessante Potenziale ergeben. Gerade Lernthemen in Verbindung mit den Wiederholungseffekt des Ohrwurms und einem vermuteten positiven Kognitionseffekt lassen ganz neue Wege für die Lehre und das Lernen entstehen. Die Künstliche Intelligenz ist dabei sowohl Text als auch Musik in bisher nicht gekannter Effizienz und Einfachheit zu generieren, wie Prof. Jäger mit ersten Prototypen zeigen konnte.

Literatur: Arthur, C.: Why do Songs get “Stuck in our Heads”? Towards a Theory for Explaining Earworms, Music & ScienceVolume 6, January-December 2023, https://doi.org/10.1177/20592043231164581